[Event "Tilburg"]
[Site "Tilburg"]
[Date "1991.10.??"]
[Round "4"]
[White "Short, Nigel D"]
[Black "Timman, Jan H"]
[Result "1-0"]
[ECO "B04"]
[WhiteElo "2660"]
[BlackElo "2630"]
[Annotator "Lutz,C"]
[PlyCount "67"]
[EventDate "1991.10.??"]
[EventType "tourn"]
[EventRounds "14"]
[EventCountry "NED"]
[EventCategory "17"]
[SourceTitle "100 Jahre Schach"]
[Source "ChessBase"]
[SourceDate "2000.04.19"]
[SourceVersion "1"]
[SourceVersionDate "2000.04.19"]
[SourceQuality "1"]
{[%evp 0,67,27,23,89,80,79,50,34,35,61,22,38,20,25,17,17,19,-3,29,14,19,31,24,
31,36,33,37,68,60,45,48,55,35,48,47,51,56,53,44,54,55,62,41,17,-4,-4,0,0,53,57,
104,86,86,146,113,109,130,278,224,187,0,0,0,68,0,0,134,29979,29990] In der
Eröffnung und im Mittelspiel besteht die Hauptaufgabe des Königs gewöhnlich
darin, sich selbst in Deckung zu bringen, um dann erst im Endspiel wieder ins
Geschehen einzugreifen. In der vorliegenden Partie ist es jedoch anders: Bei
vollem Brett wird der weiße König zum Hauptakteur im Angriff auf den Gegner.
Ich stütze mich bei meiner Analyse auf die folgenden Kommentatoren: 1) Nigel
Short im Informator 53/115; 2) Pavel Blatny und Viswanathan Anand im
ChessBaseMagazin 26; 3) John Emms in "The World's Greatest Chess Games".} 1. e4
{Rogers,I} Nf6 {Jan Timman hat ein sehr universelles Eröffnungsrepertoire.
Auch die eher selten angewandte Aljechin-Verteidigung gehört zu seinen
Favoriten.} 2. e5 Nd5 3. d4 d6 4. Nf3 g6 5. Bc4 Nb6 6. Bb3 Bg7 7. Qe2 {Weiß
stützt den Pe5, den Stolz seiner Stellung. Die wesentlichen Alternativen sind
7.Ng5 und 7.a4.} (7. Nbd2 $6 O-O 8. h3 a5 $1 9. a4 $2 dxe5 10. dxe5 Na6 $1 11.
O-O Nc5 {erwies sich in der 13.WM-Partie B.Spassky-R.Fischer (Reykjavik 1972)
dagegen als gut für Schwarz.}) 7... Nc6 8. O-O O-O {Natürlich muss Schwarz das
weiße Zentrum attackieren, allerdings ist 8...Bg4? noch nicht möglich:} (8...
Bg4 $2 9. Bxf7+ Kxf7 10. Ng5+ $18) 9. h3 {Rogers,I: 'By preventing ...Bg4
White ensures that Black will be unable to lay siege to the e5 pawn, keeping
Black's bishop on g7 permanently out of play.' Nun ist dies unvermeidlich.} a5
10. a4 {Weiß erlaubt dem Schwarzen keinen Raumgewinn am Damenflügel. Die
geringfügige Schwächung des Feldes b4 ist nur ein kleiner Preis, den Weiß
zahlen muss.} (10. c3 $6 a4 {nebst ...Be6 ließe Schwarz zur Entwicklung kommen.
}) (10. a3 $6 a4 11. Ba2 dxe5 12. dxe5 Nd4 13. Nxd4 Qxd4 14. Re1 Ra5 {(Anand)
gibt Schwarz ebenfalls gutes Gegenspiel.}) 10... dxe5 11. dxe5 Nd4 12. Nxd4
Qxd4 13. Re1 {Nach wie vor dreht sich alles um den Pe5.} e6 $6 {Dieser Zug
schwächt das Feld f6 und schließt den Bc8 ein - beide Umstände werden im
weiteren Verlauf zum Tragen kommen.} ({Weder} 13... Be6 $6 14. Bxe6 fxe6 15.
Nd2) ({noch} 13... Nd7 $6 14. e6 $1 {sind echte Alternativen.}) ({Jedoch ist
Timmans Neuerung fünf Jahre später eine Verbesserung:} 13... Bd7 $5 14. Nc3 Bc6
15. Nb5 Bxb5 16. Qxb5 c6 17. Qe2 Nd5 18. c3 Qb6 19. Bc4 Rad8 20. Bg5 $6 (20. h4
$5 {wird von Leko empfohlen}) 20... h6 21. Bc1 e6 22. h4 Rd7 23. g3 Rfd8 {
(jetzt hat Schwarz sich ideal aufgebaut)} 24. Kg2 Qc5 25. Bb3 Qb6 26. Bc4 Qc5
27. Bb3 Qb6 28. Qc4 Ne7 29. Be3 Qc7 30. Qe2 Nf5 31. Bf4 Qb6 32. Bc4 Qc5 33.
Rab1 Bf8 34. Bb3 {mit Friedensschluss in P.Leko-J.Timman (Wijk aan Zee 1996)})
14. Nd2 Nd5 $5 {Anscheinend hatte Timman diese Stellung bewusst angestrebt,
denn Short hatte bereits vier Jahre zuvor so gespielt. Der Textzug ist eine
Neuerung, aber keine Verbesserung gegenüber 14...Bd7:} (14... Bd7 15. c3 Qc5
16. Nf3 Bc6 17. Be3 Qe7 18. Bg5 Qc5 19. Nd4 Bd5 20. Bxd5 Qxd5 21. f4 Qc4 22.
Qxc4 Nxc4 23. b3 Nb6 24. c4 Rfc8 25. Rad1 Bf8 26. Nb5 Bc5+ 27. Kf1 c6 28. Nd6
$16 {mit großem Vorteil in N.Short-M.Hennigan (Britische Meisterschaft 1987).
Schwarz hat keine Entschädigung für seinen Raumnachteil und die Schwächen auf
den schwarzen Felder.}) 15. Nf3 Qc5 16. Qe4 {Short ist für seinen unmaskierten
Angriffsstil bekannt. Es droht einfach Qh4 nebst Bh6 und Ng5.} Qb4 {Rogers,I:
'Black is trying to prevent the transfer of White's queen to h4 but Short is
prepared to ruin his pawn structure and give up the bishop pair just to gain
h4 for his queen.' Timman sucht die Verteidigung im Damentausch.} (16... Bd7 $6
17. Qh4 Qb4 18. Re4 {(Blatny) wäre bereits zu spät.}) 17. Bc4 $1 {Weiß weicht
dem Damentausch aus und verschmäht auch den Bauern.} (17. Bxd5 $6 exd5 18. Qxd5
Be6 {wäre natürlich zu kleinlich. Als Ersatz für den Bauern hat Schwarz die
Kontrolle über die weißen Felder und seine Figuren kommen ins Spiel.}) 17...
Nb6 18. b3 $1 {Konsequent. Weiß zersplittert seine Bauern, aber nun ist nur
noch die schwarze Dame in einer aktiven Position, alle anderen schwarzen
Figuren fristen ihr Dasein auf der Grundlinie. Weiß hat großen Vorteil.} Nxc4
19. bxc4 Re8 {Schwarz musste seinen Turm gegen die Drohung Ba3 verwahren. Auf
19...Rd8 kann Weiß mit 20.Bg5 oder 20.Qh4 seinen Angriff fortführen.} 20. Rd1
Qc5 21. Qh4 b6 (21... Bxe5 $2 22. Ba3 $18) 22. Be3 Qc6 {Rogers,I: '?!' Rogers,
I: 'Now White is free to pursue his kingside attack without hindrance.' Die
schwarze Dame hat nicht viele Felder:} (22... Qe7 $2 23. Qxe7 Rxe7 24. Rd8+ Bf8
25. Bh6 Bb7 26. Bxf8 $18) (22... Qf8 {Rogers,I: 'was necessary.' erlaubt eine
Variante, die von Blatny stammt:} 23. Ng5 h6 (23... h5 $1) 24. Ne4 g5 25. Bxg5
$1 hxg5 26. Qxg5 Kh7 (26... Qe7 27. Nf6+ Kf8 28. Rd4 {nebst Rh4-h7(h8+)}) 27.
Qh5+ $1 Bh6 (27... Kg8 28. Nf6+ Bxf6 29. exf6 $18 {und der Rd1 setzt auf der
g-Linie matt.}) 28. Nf6+ Kg7 (28... Kh8 29. Rd4 {nebst Rg4-g8+}) 29. Rd4 Qh8
30. Rg4+ Kf8 31. Qxh6+ $1 Qxh6 32. Rg8+ Ke7 33. Rxe8#) 23. Bh6 Bh8 {Ein
Abtausch des schwarzfeldrigen Läufers ließe Weiß in Verbindung mit Rd4-h4(f4)
zu unwiderstehlichem Angriff kommen.} 24. Rd8 $1 Bb7 (24... Bd7 $5 {wird von
Short angegeben. Nach} 25. Nd4 Raxd8 26. Nxc6 Bxc6 27. Qf4 Rd7 28. Bg5 {
hat Weiß klaren Vorteil, aber die Partie ist noch nicht gewonnen.}) 25. Rad1
Bg7 $5 {Jetzt bietet Schwarz den Läufertausch an, da er dann auch gleichzeitig
die Türme tauschen könnte. Es gab zwei wichtige Alternativen:} (25... Bxe5 26.
Rxa8 Bxa8 27. Rd8 Bd6 (27... Bg7 28. Qe7 Bxh6 29. Qxe8+ $18) (27... f6 28.
Rxe8+ Qxe8 29. Nxe5 fxe5 30. Qf6 $18) 28. Rxd6 $1 Qxd6 29. Qf6 $18 {mit Gewinn,
wie von Blatny angegeben.}) (25... Qxa4 $5 {wird von Short angegeben. Die Idee
ist nicht die Eroberung des irrelevanten Pa4, sondern die Möglichkeit ...
Bb7xf3. Dennoch hat Weiß einen Gewinnweg:} 26. Qe7 Bxf3 27. gxf3 $1 {Die
Empfehlung von Emms, der die folgende Variante bis zum Matt analysiert.} (27.
Rxa8 Bxa8 28. Rd8 Qa1+ 29. Kh2 Bxe5+ 30. f4 Bxf4+ 31. Bxf4 Rxd8 32. Qxd8+ Kg7
33. Qxa8 {(Short) ist weniger überzeugend, obwohl Weiß im Vorteil bleibt.})
27... Qc6 28. Bg5 $1 {Droht 29.R1d7.} ({Sofortiges} 28. R1d7 $2 Qxd7 29. Qxd7
Rexd8 {war noch nicht möglich.}) 28... Kg7 (28... Bxe5 29. R1d7) 29. Bf6+ Kh6
30. R1d4 g5 31. Qxf7 Raxd8 32. Bxg5+ Kxg5 33. Rg4+ Kh6 34. Qf4+ Kh5 35. Qg5#)
26. R8d7 $1 (26. Bxg7 $2 {ist der Zug, auf den Timman gehofft haben wird. Nach}
Raxd8 ({nicht} 26... Rexd8 $2 27. Rxd8+ Rxd8 28. Qf6 $1 {, und Schwarz ist
machtlos gegen die Drohung Bh6 (Emms)}) 27. Rxd8 (27. Qf6 Rxd1+ 28. Kh2 Qc5 29.
Bh6 Qf8 $132) 27... Kxg7 {ist Schwarz entschlüpft (Emms).}) ({Against other
moves} 26. Qe7 {(Rogers,I) (now answered by} Bxh6 {) would have been very
strong.}) 26... Rf8 {Schwarz muss den Pf7 decken.} (26... Qe4 {wird elegant
widerlegt durch} 27. Rxf7 $1 {Rogers,I: 'Timman saw this move too late (Anand).
' (Short), mit der Pointe} Qxh4 (27... Kxf7 28. Ng5+) 28. Rxg7+ Kh8 29. Nxh4
$18) (26... Bxe5 27. Rxf7 $1 {(Short) ist ebenfalls vernichtend.}) ({After}
26... Bxh6 {Rogers,I} 27. Qxh6 {White threatens 28.Rxf7!.}) 27. Bxg7 Kxg7 28.
R1d4 Rae8 29. Qf6+ Kg8 {Weiß hat seine Schwerfiguren in idealen Positionen.
Aber wie geht es weiter ? Wegen des Matts auf g2 ist der Nf3 unbeweglich, und
außerdem muß sich Weiß mit ...Bc8 auseinandersetzen.} 30. h4 $1 {Der h-Bauer
greift ins Geschehen ein. Es droht 31.h5, 32.h6, 33.Qg7#.} h5 {Die einzige
Verteidigung, aber nun ist der Königsflügel noch mehr geschwächt.} 31. Kh2 $1 {
Mit diesem Zug ist ein überraschender Plan verbunden ...} Rc8 $6 {...den
Timman nicht erkennt.} ({Rogers,I: 'Black must remain passive since' Zäher,
aber letztlich nicht besser ist} 31... Bc8 {Rogers,I: 'allows'} 32. g4 $1 {
, und Weiß gewinnt in allen Varianten:} hxg4 (32... Bxd7 33. gxh5 {(droht 34.
h6)} gxh5 ({oder} 33... Kh7 34. Ng5+) 34. Qg5+ {und 35.Qxh5+, 36.Rg4#}) (32...
Bb7 33. Rd3 hxg4 34. h5 $18 {(Anand)}) 33. Ng5 $1 g3+ (33... Bb7 34. f3) (33...
Bxd7 34. h5 {Rogers,I: 'with a winning attack. Now White has a fine attacking
position but the immobility of his knight on f3 prevents an immediate knockout.
However Short finds a phenomenal idea -to use his king as part of the mating
attack.'} gxh5 35. Qh6 $18) {, und nun gewinnt 34.fxg3, aber Speelmans
Vorschlag} 34. Kxg3 Bxd7 35. Kh2 $1 {ist spektakulärer. Trotz Mehrturm hat
Schwarz keine Verteidigung gegen 36.h5 gxh5 37.Rh4, z.B.} Qxa4 (35... Bc8 36.
h5 Bb7 37. f3) 36. h5 gxh5 37. Rh4 Qxc2 38. Rxh5 {nebst Matt.}) 32. Kg3 $1 {
Das ist es. Der König will nach h6!} Rce8 33. Kf4 $1 Bc8 34. Kg5 $1 {Nach 34...
Bxd7 35.Kh6 oder 34...Kh7 35.Rxf7+ Rxf7 36.Qxf7+ Kh8 37.Kh6 setzt die weiße
Dame matt. Schwarz gab sich daher geschlagen.} 1-0